Samstag, 24. Januar 2009
 
Erfolgreicher Mercosur-Gipfel PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Andreas Behn   
Dienstag, 23. Januar 2007

Trotz aller interner Streitigkeiten und wirtschaftlicher Differenzen war die regionale Integration das zentrale Thema des Gipfeltreffens des südamerikanischen Marktes Mercosur in Rio de Janeiro.

"Politischer und ideologischer Pluralismus sind mit unserem Projekt der Integration vollkommen vereinbar," sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva am 19. Jänner zum Abschluss des zweitägigen Treffens. Noch nie sei die Stimmung für eine gegenseitige Annäherung in Südamerika so positiv gewesen, ergänzte der Gastgeber, nachdem einige seiner Kollegen fast aneinander geraten wären.

Mit den Gründungsmitgliedern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay und seit vergangenem Jahr auch Venezuela ist der Mercosur der mit Abstand wichtigste Wirtschaftsblock der Region und versucht anderen Initiativen, wie dem bestehenden Andenblock oder einer von der USA favorisierten Freihandelszone den Rang abzulaufen. Deswegen waren auch andere Präsidenten der Region geladen, unter anderem die assoziierten Mitglieder Chile und Bolivien. Letzteres beantragte während des Treffens der Regierungschefs formal die vollständige Aufnahme in den Mercosur. Ecuador hingegen, das auch seit kurzem von einem linken Präsidenten regiert wird und auf eine enge Allianz mit Venezuela und Bolivien setzt, stellte wider erwarten keinen Antrag auf Vollmitgliedschaft.

Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe, der einzige Vertreter einer engen Bindung an die Politik der USA (Perus neuer Präsident Alan García war als einziger nicht erschienen), musste sich scharfe Kritik von seinem bolivianischen Kollegen Evo Morales anhören. Kolumbiens Wirtschaft sei defizitär, weil er statt auf regionale Zusammenarbeit auf ein Abkommen mit den USA setze. Die offenen Worte führten fast zu einem Eklat auf der Abschluss-
veranstaltung, doch Brasiliens Außenminister Celso Amorim hielt an der optimistischen Linie fest: "Homogenität gibt es nur auf dem Friedhof. Wo Leben ist, da gibt es Unterschiede."

Hinter den Kulissen gab es eine ganze Reihe Fortschritte bei konkreten Projekten des Mercosur. Unter Dach und Fach ist ein Freihandelsvertrag mit dem Wirtschaftblock der Golfstaaten Saudi Arabien, Bahrein, Kuweit, Oman, Katar und Arabische Emirate. Auch der Bau einer großen Gaspipeline von Venezuela durch Brasilien bis nach Argentinien wurde besiegelt. Tonangebend werden hierbei die beiden staatlichen Energiekonzerne PDVSA
aus Venezuela und Petrobras aus Brasilien sein, ein klarer Erfolg des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, der sich vehement für eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft einsetzt.

Chávez' Vorschlag zur Schaffung einer gemeinsamen Bank wurde erwartungsgemäß nicht weiter verfolgt, doch diente der Vorstoß als Anlass, die Integration des regionalen Finanzsystems voranzutreiben und die Arbeit der jeweiligen nationalen Entwicklungsbanken besser aufeinander abzustimmen. Und in Zukunft haben die Mitgliedsstaaten erstmals die Möglichkeit, ihren Handel auch in nationaler Währung abzuwickeln. Bisher wurden alle Importe und Exporte untereinander in US-Dollar abgerechnet.

Lula nutzte die von Venezuela und Brasilien geschürte optimistische Stimmung, um seinen Kollegen aus Argentinien und Uruguay eine kleine Lektion in Sachen Integration zu geben. Nestor Kirchner hielt er dessen Weigerung vor, den kleinen Ländern des Block ökonomisch entgegen zu kommen. Der Mercosur sei nicht nur eine Frage nationaler Wirtschafts-
interessen, sondern auch eine politische Herausforderung, mahnte Lula mit Blick auf Erfolge der Europäischen Union. Die Haltung von Tabaré Vázquez, sich als kleiner Partner übergangen zu fühlen und deswegen mit den USA ein Freihandelsabkommen anzustreben, sei allerdings keine Alternative.

Fraglos ist es ein Erfolg, nicht zuletzt für die Regierung Lula, dass dieses Gipfeltreffen fast aller Staatschefs des Subkontinent ohne Eklat und mit der Zukunftsvision einer einvernehmlichen sowie sozial ausgerichteten Integration zu Ende gegangen ist. Hugo Chávez hat wie erwartet - und von den Medien gern gefördert - das Podium bestimmt, doch ist es nicht zu dem von konservativer Seite erhofften Bruch zwischen den Staaten einer linksnationalistischen Linie und der brasilianischen Seite gekommen. Im Gegenteil, Lula kam sowohl seinem bolivianischen Kollegen Evo Morales entgegen, der erneut die Zahlung höherer Gaspreise forderte, und wie er Chávez bescheinigte, ein wichtiger Motor der regionalen Annäherung zu sein. Dieser gab sich dann geradezu defensiv: Er wolle dem Mercosur nicht seinen Stempel aufdrücken, aber "der Markt sei nicht der König. Wir haben die Zeit des Neoliberalismus hinter uns gelassen, genauso wie die Zeit der Diktatur."

Entnommen der Ausgabe 749 des Nachrichtendienstes poonal.

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